Herablassendes Verhalten hinnehmen oder gegensteuern?

Marlene auf dem Sommerfest

HerablassungMarlene geht heute Abend mit ihrem Mann Richard zum jährlichen Sommerfest seiner Firma. Sie freut sich darauf, denn das Fest war im letzten Jahr ein voller Erfolg. Das Buffet vom Feinsten und die Stimmung super. Unter freiem Himmel tanzten sie durch die Sommernacht. Alle waren in Feierlaune. Um zwei Uhr morgens waren sie bei den letzten, die das Fest verließen.

Voller Vorfreude wirft sich Marlene in Schale. Das neue schwarze Sommerkleid mit der Korsage, die vorne geschnürt wird, und dem Tellerrock, der kurz über dem Knie endet, steht ihr ganz hervorragend. Findet sie zumindest, als sie sich im Spiegel betrachtet. Die fein ziselierten Gold-Creolen an den Ohren und ihre Lieblingshalskette aus kleinen gehämmerten Goldringen setzen einen farblichen Kontrapunkt zum Schwarz des Sommerkleides. Ein ausdrucksvolles Abend- Makeup vervollständigt das Oufit. „Donnerwetter“, entfährt es Richard unwillkürlich, als er seine Frau sieht, „du siehst toll aus.“ Marlene lacht fröhlich auf und dreht sich einmal im Kreis. Das Leben ist schön.

Drei Stunden später. Die Party ist in vollem Gang. Richard unterhält sich mit Georg, seinem Kollegen. Es geht um herablassung-kaeseplattenichtige Albernheiten, aber die beiden Männer amüsieren sich königlich. Marlene tritt zu ihnen. Zuerst hört sie zu, nach einer Weile klinkt sie sich in das Gespräch ein und tut ihre Meinung zu dem Thema kund. Die Männer beziehen sie völlig unkompliziert mit ein und die drei lachen gemeinsam.

Nach fünf Minuten wird Richard von seinem Chef gerufen und er entschuldigt sich bei Marlene und Georg und lässt die beiden alleine zurück. Marlene, die gerade dabei war, eine lustige Begebenheit zu schildern, fährt fort. Doch nun ist Georg nicht mehr interessiert. Er unterbricht den Blickkontakt, schaut zweimal auf seine Uhr und sieht dann zu anderen Grüppchen, die die beiden umgeben, setzt eine gelangweilte Miene auf und gibt nur noch einsilbige Antworten. Während Marlene ihre Geschichte erzählt, nimmt sie diese nonverbalen Signale wahr.

Im ersten Moment ist sie irritiert. Weshalb schaut Georg so gelangweilt? Während sie ihren Satz zu Ende führt, fallen Marlene drei Begründungen ein: Entweder das Thema interessiert ihn nicht. Er hat jedoch gerade selbst zu diesem Thema hingeführt. Das ist es also eher nicht. Oder es hat mit ihr als Person zu tun oder er spricht allgemein nicht gerne mit Frauen, ob aus Unsicherheit oder Herablassung oder warum auch immer. Die Anzeichen deuten am ehesten auf Herablassung. Ob nun Frauen allgemein oder nur ihr gegenüber, kann sie nicht abschätzenfreeze-eckig

Wie soll sie reagieren? (Gewählte Reaktionen in Prozent)

Sie tut so, als ob sie die Signale nicht bemerkt hätte:

1. Sie verkürzt ihre Geschichte und beendet das Gespräch dann möglichst schnell. (9,09 %)

2. Sie unterbricht ihre Geschichte und stellt ihm eine direkte Frage zum Thema, so dass er aktiv sprechen muss. (9,09 %)

3. Sie erzählt ihre Geschichte in aller Ruhe zu Ende und entlässt Georg erst aus dem Gespräch, wenn sie fertig ist. (0 %)

Sie zeigt, dass sie die Signale bemerkt hat:

4. Sie unterbricht ihre Geschichte und fragt ihn frontal: „Interessiert dich nicht, was ich erzähle?“ oder „Langweile ich dich?“ (18,18 %)

5. Sie unterbricht ihre Geschichte und spiegelt die Situation: „Du hast jetzt schon zweimal auf die Uhr gesehen, während ich rede. Hast du noch einen Termin?“ (45,45 %)

6. Sie unterbricht ihre Geschichte und fragt provozierend: „Ich merke, dass du dich langweilst. Interessiert dich das Thema nicht? Oder möchtest du dich lieber mit einem Mann unterhalten?“ (18,18 %)

 

Die Auflösung der Geschichte mit Reaktion 5

Freeze auflösen... Die Anzeichen deuten am ehesten auf  Herablassung. Ob nun Frauen allgemein oder nur ihr gegenüber, kann sie nicht abschätzen. Aber sie gedenkt, das herauszufinden, denn Herablassung kann sie nicht gut wegstecken und so ein toller Hecht ist Georg auch wieder nicht. (Herablassend sein kann Marlene selbst auch.)

Also beschließt Marlene, die Situation zu spiegeln und dabei höflich zu bleiben: „Du hast jetzt schon zweimal auf die Uhr gesehen, während ich rede. Hast du noch eine Termin?“

Georg fühlt sich ertappt und zuckt leicht zusammen. Gerade hat er noch gedacht, dass Marlene belangloses Zeug labert Verschwendete Zeitund er viel lieber mit seinen Kumpels aus der Marketingabteilung einen trinken würde. Und jetzt steckt er in diesem Gespräch fest und weiß nicht, wie er sich loseisen kann. Sein Kumpel Richard, mit dem er echt gerne abhängt, hat ihn schmählich im Stich gelassen. Er hat ganz bewusst mehrmals auf die Uhr und zur Seite gesehen, damit sie kapiert, dass er das Gespräch beenden will. Aber typisch frau, muss sie gleich darüber reden. Damit hat er nicht gerechnet. Was soll er nun sagen? Dass ein Gespräch mit ihr verschwendete Zeit ist, weil sie schon vergeben ist? Oder dass er lieber bei seinen Kumpels ist, weil das mehr Spaß macht? Oder wenn er schon mit einer Frau spricht, dann lieber mit einer, die noch zu haben ist? Das kann er Marlene nicht sagen.

Er räuspert sich und stottert ein wenig unsicher: „Also, ich weiß nicht, ähh, ist ja schon spät. Ähh, vielleicht sollten wir langsam wieder zu den anderen gehen.“ Marlene blickt ihn direkt an und wartet noch eine klitzekleine Weile, um Georg dabei zuzusehen, wie er sich windet. Dann nickt sie und erlöst ihn. „Okay. Da kommt eh gerade Connie um die Ecke. Die habe ich schon ewig nicht mehr gesehen.“ Mit diesen Worten wendet sie sich von Georg ab und geht auf Connie, eine Vertriebsassistentin, zu. 

Kurzanalyse:
Georg zeigt Marlene seine Herablassung nonverbal sehr deutlich. Er ist aber nicht mutig genug, es in Worte zu kleiden. Als Marlene ihn anspricht, kneift er. Mit ihrer Frage hat sie das Gespräch gedreht. Georg ist nicht mehr herablassend, sondern wirkt unsicher. Marlene lässt ihn dies spüren und beendet das Gespräch aktiv.

Was fühlt Marlene: Der Ärger, den ich gespürt habe, als ich die nonverbalen Signale wahrgenommen habet, hat sich gelegt, als Georgs Feigheit offensichtlich wurde. Ich kann darüber lächeln. 

Was fühlt Georg: Ich habe mich überlegen gefühlt, als ich Marlene gezeigt habe, dass sie mich langweilt. Als sie mich angesprochen hat, war es mir nur noch peinlich. Ich ärgere mich darüber, dass ich mich in diese Lage gebracht habe.

Die Auflösung der Geschichte mit Reaktion 1

Freeze auflösen…Die Anzeichen deuten am ehesten auf  Herablassung. Ob nun Frauen allgemein oder nur ihr gegenüber, kann sie nicht abschätzen. Sie fühlt sich sehr unwohl in dieser Situation ganz alleine mit Georg. Verunsichert blickt sie zu Boden.

GruppenIhre Stimme wird leiser und monotoner und sie erzählt ihre Geschichte in zwei kurzen Sätzen zu Ende. Nachdem sie geendet hat, herrscht verlegene Stille. Sie blickt zum Buffet hinüber und Georg meint: „Holen wir uns doch noch was zu trinken.“ Marlene nickt und gemeinsam gehen sie los. Nach drei Metern bleibt Georg bei einem anderen Grüppchen stehen und haut einem Kollegen auf die Schulter. Er wendet sich zur Gruppe und kehrt Marlene den Rücken zu. Dann dreht er den Kopf in Richtung Marlene und schlägt ihr vor: „Geh doch schon mal voraus. Ich komme dann nach.“ Marlene bleibt nichts anderes übrig, als ihren Weg alleine fortzusetzen.

Kurzanalyse:
Georg zeigt Marlene seine Herablassung nonverbal sehr deutlich. Marlene akzeptiert das und verhält sich so, wie Georg das will. Georg geht als der starke Mann aus dem Gespräch und zeigt Marlene deutlich, wie schwach sie ist. Marlene setzt dem nichts entgegen.

Was fühlt Marlene: Ich fühle mich unsicher und unterlegen. Ich ärgere mich auch nach dem Gespräch noch sehr darüber, dass Georg mich so eiskalt abserviert hat. Den Abend hat er mir verdorben.

Was fühlt Georg: Ich habe mich überlegen gefühlt, als ich Marlene gezeigt habe, dass sie mich langweilt. Es war zwar nicht besonders nett von mir, aber der Zweck heiligt die Mittel und ich bin sie schnell losgeworden.

Andere Zeit - gleiches Problem

"Eine Art Mann, die ich nicht ausstehen kann, ist die, die gelangweilt schaut, wenn ich über Ibsen, Keramik oder die Azteken rede, aber sofort zuhört, wenn es um meine Strumpfbänder geht."
                                               Mary MacLane, Schriftstellerin (1881 – 1929)

Eure Einschätzung ist gefragt

1. Wie reagiert ihr, ganz ehrlich, in so einer Situation? So wie vorgeschlagen oder ganz anders?

2. Wie würdet ihr reagieren, wenn ihr so könntet, wie ihr wolltet?

3. Welche vorgeschlagene Reaktion findet ihr am besten?

Gerne könnt ihr eure Meinung zur dritten Frage „Welche vorgeschlagene Reaktion findet ihr am besten?" kundtun und über das Ende der Geschichte mitbestimmen.

 

 

Auswertung der Abstimmung:

Reaktion 1: 9,09%

Reaktion 2: 9,09%

Reaktion 3: 0 %

Reaktion 4: 18,18%

Reaktion 5: 45,45 %

Reaktion 6: 18,18 %

2 Gedanken zu „Herablassendes Verhalten hinnehmen oder gegensteuern?

  1. Das ist genau das Problem. Solange das Ganze nonverbal stattfindet, können wir es leicht ignorieren und damit höflich bleiben. So sind wir erzogen worden. Aber ist das richtig?

  2. Das eine ist das was ich gern machen würde, das andere ist was ich mir trauen würde und was mir meine gute Erziehung erlauben würde….

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