Mansplaining im Büro

So funktioniert die Welt, Mädchen!

BürosituationSarah, groß, schlank, mit blondem Fransenbob und mitternachtsblauen Augen saß in ihrem großzügigen Eckbüro am Schreibtisch und blickte über die Dächer von Hamburg. Seit fünf Jahren arbeiteet sie, die gelernte Reiseverkehrskauffrau, nun bei Supertravel, einem aufstrebenden Reiseveranstalter. Die letzten drei Jahre hatte sie die Londoner Niederlassung aufgebaut. 18 Mitarbeiter waren dort mittlerweile beschäftigt und die speziellen Reisen für Einheimische und Touristen in Großbritannien, die sie akribisch erarbeitet hatte, kamen bei den Kunden sehr gut an. Die Leitung hatte sie an ihren besten Mitarbeiter abgegeben und nun war sie wieder zurück in der Firmenzentrale. Hier sollte sie den neuen Geschäftszweig „Abenteuerreisen in Nordeuropa“ aufbauen.

Anfangs war es etwas ungewohnt für sie, dass sie nicht alles alleine entscheiden konnte wie in London, aber nach einiger Zeit hatte sie sich daran gewöhnt und schätzte den Austausch mit Kollegen und Vorgesetzten. Nur mit Günther, der mit seinen 40 Jahren fünf Jahre älter war als Sarah, hatte sie Probleme: er neigte zu endlosen Monologen, in denen er von oben herab erklärte, wie die Welt funktionierte. Meistens wusste Sarah über die Themen, über die er lang und breit referierte, besser Bescheid als er selbst, aber sie hatte noch kein Mittel gefunden, wie sie seinen Redeschwall stoppen konnte. Auf ein kurz eingeworfenes „Das weiß ich doch schon“, reagierte er ebenso wenig wie auf unwilliges Kopfschütteln.
Gerade als Sarah sich wieder der Tabelle zuwandte, die sie auf ihrem Bildschirm aufgerufen hatte, öffnete sich die Tür und ein mittelgroßer, leicht untersetzter Mann mit Hornbrille und rechtsgescheiteltem, dunklem Haar trat ein: Günther.
„Die Geister, die ich rief…“, zuckte es Sarah durch den Kopf. Einen kurzen Gruß nickend, kam er gleich zum Punkt: „Kann ich die aktuellen Zahlen von den Teilnehmern an deutschen Schottlandreisen im letzten Jahr haben?“
„Hallo Günther, klar. Die suche ich dir gerne raus.“ Sarah war höflich und verbindlich, wollte ihm aber keine Gelegenheit zum Schwadronieren bieten. „Die sind alle über unser Londoner Büro gelaufen und ich ….“
Rüde unterbrach Günther Sarahs Erklärung und legte los. „Die Schottlandreisen Loch Nesshaben in den letzten drei Jahren überdimensional zugenommen. Das Programm ist äußerst durchdacht. Das solltest du als Vorbild für deine Abenteuerreisen verwenden. Denn es ist für dich ja nicht einfach, so ein Programm zusammenzustellen. Von Abenteuern hast du doch wenig Ahnung. Im Prinzip frage ich mich, warum der Chef dir diese Aufgabe übertragen hat. Den Fehler wird er noch bitter bereuen. Aber das Konzept von Schottland ist großartig. Es gibt sechs verschiedene Tourangebote, jeweils für 5, 7 oder 10 Tage. Hochpreisig mit Luxushotels oder günstig mit Bed & Breakfast. In Schottland gibt es ja so viele Highlights zu besichtigen. Da kannst du sicher abkupfern und ein paar als Abenteuer übernehmen, wie den Besuch von Loch Ness. Weißt du, da kann man …“
Er machte es schon wieder! Sarah kochte innerlich vor Wut, als Günther ihr in allen Einzelheiten die Sehenswürdigkeiten in Schottland erklärte. Das war echt eine Frechheit. Er wusste doch genau, dass sie die Londoner Agentur drei Jahre aufgebaut hatte und dass das ganze Schottlandprogramm unter ihrer Leitung entstanden war. Dachte er, das hatten alles die Mitarbeiter gemacht und sie hatte nur Däumchen gedreht? Für wie blöd hielt er sie eigentlich? ...

freeze-eckig

Wie soll Sarah reagieren?

1. Alles über sich ergehen lassen und die unnötigen Belehrungen einfach überhören. (0 %)

2. Voll ins Thema einsteigen und Details erörtern, die er nicht kennt. (25 %)

3. Seine Taktik aufdecken und spiegeln, was sie gerade erlebt: "Entschuldigung, du hast mich gerade unterbrochen. Möchtest du jetzt die Zahlen? Oder möchtest du mir einen Vortrag darüber halten, wie inkompetent ich bin?“ (50 %)

4. Sich lächelnd abwenden und mit der Arbeit weitermachen ohne ihn weiter zu beachten. (0 %)

5. Ihn anlächeln und mit Nachdruck unterbrechen: „Stop. Ich muss dir das jetzt sagen. Das ist ganz tolles Mansplaining, was du da machst. Kompliment. Weißt du überhaupt, was Mansplaining ist?“ (25 %)

6. Ihn mit großen Augen ansehen, lächeln und mit Nachdruck unterbrechen: „Das ist toll, dass du mir das sagst. Vielen, vielen Dank. Ich Dummerchen weiß das ja nicht, obwohl ich drei Jahre in England war. Und du bist so klug. Das bewundere ich an dir. Woher weißt du das alles?“ (0 %)

Die Auflösung der Geschichte mit Reaktion 3

Freeze auflösen

… Dachte er, das hätten alles die Mitarbeiter gemacht, und sie hatte nur Däumchen gedreht? Für wie blöd hielt er sie eigentlich? Während Günther nun von Loch Ness zu Arthurs Seat, dem Hausberg von Edinburgh, mit seinen 17 Särgen im Berg schwenkte, reichte es Sarah und sie fasste den Entschluss, diesen nutzlosen Monolog jetzt zu unterbrechen und ein für allemal dafür zu sorgen, dass Günther sie in Zukunft mit seinen vermeintlichen Weisheiten nicht mehr belästigte. Das war keine leichte Aufgabe.
Deshalb versuchte sie, die Situation zuerst einmal aus einer objektiven Perspektive zu betrachten. Sie saß immer noch vor ihrem PC, während sich Günther dozierend vor dem Schreibtisch aufgebaut hatte. Eine ungünstige Ausgangslage. Schnell stand sie auf, so dass er nicht mehr auf sie herabsehen konnte. Mit ihren einsdreiundsiebzig plus den 5 cm-Absätzen ihrer braunen Lieblingsstiefel war sie ein bisschen größer als Günther. Das war schon mal ein kleiner Vorteil.
Eine Weile sah ihm Sarah ins Gesicht und wartete ab. Beim nächsten Luftholen streckte sie ihm ihre Handfläche entgegen und schaute ihm herausfordernd in die Augen. Mit fester, klarer Stimme spiegelte sie die Situation: „Entschuldigung, du hast mich gerade unterbrochen. Möchtest du jetzt die Zahlen? Oder möchtest du mir einen Vortrag darüber halten, wie inkompetent ich bin?“
Günther hielt inne und schaute Sarah völlig verdutzt an. Er war gerade so schön in Schwung und von seinen eigenen Ideen begeistert gewesen. Und nun hatte ihn Sarah regelrecht gezwungen, seine Ausführungen zu unterbrechen. Völlig fassungslos ob dieses unhöflichen Verhaltens war er im Moment nicht in der Lage, auf ihre letzte Frage zu antworten.
Sarah hatte ihr Ziel erreicht und den Redefluss gestoppt. Nun hieß es, die Dinge schnell zu klären, bevor er den Faden wieder aufnahm. Mit geduldiger, freundlicher Stimme setzte Sarah zu einer Erklärung an. „Günther, das weiß ich doch alles schon, was du mir hier beschreibst. Das tolle Schottlandkonzept habe ich eigenhändig erstellt. Also erzähl mir nichts über schottische Sehenswürdigkeiten. Außerdem habe ich eine Menge Arbeit auf dem Tisch. Und die Zahlen über die Schottlandteilnehmer kann ich dir mailen.“ Die Unterstellungen von wegen „wenig Ahnung von Abenteuern“ überging sie großzügig, da sie einen handfesten Streit vermeiden wollte.
Günther hatte sich ein wenig gefangen und war nun eingeschnappt. „Du musst ja nicht gleich so unfreundlich sein, bloß weil ich dir ein wenig helfen will von Kollege zu Kollegin. Aber bitte, wenn du alles besser weißt, dann kann ich es auch lassen. In Zukunft kannst du dann jemand anderen fragen. Ich stehe nicht mehr zur Verfügung.“ Abrupt wandte er sich um und schritt zur Tür. „Und die Zahlen brauche ich jetzt sofort.“
Mit diesem letzten Satz verließ er Sarahs Büro, und diese atmete erleichtert auf. „Das wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn er mich in Zukunft nicht mehr zuschwallt“, ging es ihr durch den Sinn, dicht gefolgt von dem Gedanken, ob sie zu unfreundlich gewesen war. Schnell ließ sie die Situation noch einmal Revue passieren und schüttelte dann vehement den Kopf. „Nein, ich werde kein schlechtes Gewissen haben, weil ich so direkt war. Er hat ja auch keines, obwohl er mich beleidigt hat.“ Zufrieden mit dieser Überlegung widmete sie sich wieder ihrer Arbeit.

Kurzanalyse:
Günther nimmt nicht wahr, wie herablassend und beleidigend sein Verhalten ist. Als Sarah es ihm in drastischen Worten spiegelt, ist er beleidigt und zieht sich zurück. Sarah hat es geschafft, seinen Redefluss zu stoppen. Das Verhältnis zu Günther wird dadurch jedoch belastet.

Was fühlt Sarah: Ich ärgere mich schon lange über Günthers Verhalten. Nun bin ich endlich zu ihm durchgedrungen. Darüber bin ich froh. Mir ist zwar wichtig, dass mich alle mögen, aber Günther hat den Bogen überspannt. Wenn er mich nicht mehr mag, er mich dafür aber in Ruhe lässt, kann ich damit leben.

Was fühlt Günther: Ich habe Sarah mit meinem Wissen geholfen und mich dabei toll gefühlt. Als Frau kennt sie sich ja nicht so aus. Aus heiterem Himmel hat sie mich dann beleidigt. Ganz schlechter Stil. In Zukunft werde ich einen Bogen um sie machen. Es gibt ja noch andere Kolleginnen, die für meine Unterstützung dankbar sind.

Die Auflösung der Geschichte mit Reaktion 1

Freeze auflösen

… Denkt er, das haben alles die Mitarbeiter gemacht und sie hat nur Däumchen gedreht? Für wie blöd hält er sie eigentlich? Während Günther nun von Loch Ness zu Arthurs Seat, dem Hausberg von Edinburgh, mit seinen 17 Särgen im Berg schwenkt, blickt Sarah gelangweilt durch ihn durch und hofft, dass er endlich zum Schluss kommt. Aber Günther hat sich gerade warmgeredet. Im Geiste geht er alle Sehenswürdigkeiten durch, die er in Schottland kennt. Die will er Sarah alle noch schildern und danach vielleicht Irland noch. Da gibt es einige wirklich sagenhafte Orte. Eigentlich wäre er selbst viel besser als Sarah geeignet, Abenteuerreisen zu planen, da er eine umfassende Allgemeinbildung hat. Was den Chef dabei geritten hat, das Projekt der kleinen Sarah zu geben, kann er sich nicht vorstellen. Oder vielleicht doch. Jedenfalls kann sie froh sein, dass er sie hier unterstützt. Denn ohne ihn würde sie das Projekt in den Sand setzen.

Nach 30 Minuten blickt Sarah auf die Uhr. Sie hat noch jede Menge Arbeit auf dem Tisch und Günther kommt nicht zum Ende. Wie lange will der noch schwallen? Er kennt kein einziges Detail, das ihr weiterhelfen würde. Wie sinnlos die Zeit verrinnt. Ob sie einfach auf ihren Computer weiterarbeiten soll? Vielleicht kapiert er dann, dass sie seine Anregungen nicht hören will. Aber das wäre unhöflich. Dann wäre er vermutlich beleidigt. Das will Sarah auch nicht. Also lässt sie seine unnötigen Belehrungen mit Widerwillen über sich ergehen.

15 Minuten später klingelt sein Handy. Er entschuldigt sich und geht ran. Mit einem „Ja, ich komme sofort“, beendet er das Gespräch. Sarah atmet erleichtert auf. „Entschuldige, dass ich unser Gespräch abbrechen muss, aber ich habe gleich ein Meeting. Wir können vielleicht beim Mittagessen heute weiterreden.“ Mit diesen Worten dreht sich Günther um und verlässt den Raum. Er hat Sarah nicht einmal mehr Zeit zu einer Antwort gegeben. Verblüfft sieht sie hinter ihm her. Heute wird sie schon sehr zeitig zum Mittagessen gehen, so dass Günther nur ein leeres Büro vorfinden wird. „Ich muss mir unbedingt eine Methode überlegen, wie ich solch eine Situation in Zukunft vermeide. Das ist ja nicht auszuhalten“, nimmt sich Sarah vor und widmet sich wieder ihrer Arbeit.

Kurzanalyse:
Günther nimmt nicht wahr, wie herablassend und beleidigend sein Verhalten ist. Da Sarah ihm nichts entgegensetzt, ist sie ihm ausgeliefert. Er bestimmt die Regeln und sie ordnet sich unbewusst unter. Das bestärkt Günther noch.

Was fühlt Sarah: Ich ärgere mich über Günthers Verhalten. Er kostet mich viel Zeit. Ich weiß, dass ich ihn aufhalten muss, aber wie soll ich das machen? Mir ist wichtig, dass mich alle mögen, aber ich glaube, bei Günther ist es mir langsam egal. Ich bin total genervt und unzufrieden.

Was fühlt Günther: Ich habe Sarah mit meinem Wissen geholfen und mich dabei toll gefühlt. Als Frau kennt sie sich ja nicht so aus. Ich werde ihr auch in Zukunft helfen.

Mansplaining (man - explaining) ist das Phänomen, wenn ein Mann herablassend mit jemandem (vor allem einer Frau) über einen Themenbereich spricht, von dem er nur unvollständige Kenntnisse hat, unter der fälschlichen Annahme, er wisse mehr über den Gegenstand als die Person, mit der er spricht.

Das Problem ist international bekannt:
Schwedens größte Gewerkschaft will mit einer Hotline für Frauen, die sich durch "Mansplaining" gestört fühlen, die Diskriminierung am Arbeitsplatz bekämpfen und die Chancengleichheit erhöhen.

Mitarbeiterinnen des Weißen Hauses greifen zum Trick "Verstärkung": Kolleginnen geben dem Gesagten einer anderen Kollegin mehr Gewicht, indem sie die Idee erneut aufgreifen und darauf verweisen, von wem sie kam. So wird dem Gesprächsbeitrag, auch wenn die Vortragende unterbrochen wird, mehr Aufmerksamkeit geschenkt, und die Idee kann nicht so leicht übernommen werden. Auch bei Barack Obama kam die neue Kommunikationsstrategie an. Er fragt seither öfter Frauen um ihre Einschätzungen und Meinungen.

 

Eure Einschätzung war gefragt

Wie würdet ihr so einer Situation reagieren? So wie vorgeschlagen oder ganz anders? 

Welche vorgeschlagene Reaktion findet ihr am besten? Gerne könnt ihr eure Meinung hier kundtun und über das Ende der Geschichte mitbestimmen.

 

 

 

Auswertung der Abstimmung:

Reaktion 1:  0%

Reaktion 2: 25 %

Reaktion 3: 50 %

Reaktion 4: 0 %

Reaktion 5: 25 %

Reaktion 6: 0 %