Wie sagt man am besten Nein?
Heute war Mädelsabend. Hanna, Marie-Luise, Britta und Kim saßen schon seit zwei Stunden im „Jenseits“, ihrem Lieblingscafe, und hatten den Abend mit einem Glas Prosecco eröffnet. Nun waren sie bereits beim dritten Getränk und die Stimmung wurde zunehmend gelöster. Nur Britta, Sachbearbeiterin in einer Versicherung, wirkte etwas bedrückt. Eine kleine Weile kämpfte sie noch mit sich, doch dann beschloss sie, ihr heutiges Problem in die Runde zu werfen. Vielleicht wussten ihre Freudinnen ja Rat.
„Ich habe mich heute schwer über mich selbst geärgert. Lukas, mein Kollege, hat mich gefragt, ob ich einen Fall von ihm bearbeiten kann, weil er heute früher Schluss machen möchte und der Bericht morgen um 10 Uhr beim Chef liegen muss. Was mache ich dumme Kuh? Sage einfach ja. Das bedeutet drei Stunden zusätzliche Arbeit für nichts. Der Chef denkt, das hat Lukas gemacht.“ Sie schüttelte angewidert den Kopf.
Marie-Luise, eine zierliche Brünette mit ausdrucksvollen, dunklen Augen hakte nach: „Ist Lukas nett und sieht er gut aus?“
„Darum geht es doch gar nicht. Ich bin heute schon eine Stunde länger geblieben und morgen muss ich spätestens um halb acht im Büro sein, damit ich den Bericht bis 10 Uhr fertig habe.“
„Mich würde interessieren, aus welchem Grund Lukas dich gebeten hat, seinen Fall zu bearbeiten“, mischte sich Hanna, frischgebackene Rechtsanwältin, ein.
Britta stutzte und dachte nach. „Er hat nur gesagt, weil er früher Schluss machen will.“
Die anderen drei lachten laut auf. Als Britta finster in die Runde blickte, erläuterte Marie-Luise, die als Sekretärin arbeitete, die Ursache für das Gelächter. „Bei meinem letzten Weiterbildungsseminar war ein Thema die Sekretärin, die sich an der Schlange vor dem Kopierer nie hinten anstellte, sondern jedes Mal vorgelassen wurde. Sie hat die Leute in der Schlange gefragt, ob sie vor dürfe, weil sie was kopieren müsse. Damit hatte sie einen Grund für ihre Bitte geliefert, und die Masse war zu träge, um zu überlegen, ob dieser Grund ausreichend war, um ein Vorlassen zu rechtfertigen.“
Britta fand diese Erläuterung nicht witzig. „Danke schön, es freut mich, dass du mich zur trägen Masse zählst. Denn genauso ist es bei mir ja auch abgelaufen.“
Marie-Luise zuckte mit den Schultern, ergriff ihren Aperol Spritz und zog am Strohhalm. Als Hanna bemerkte, dass Britta beleidigt die Lippen zusammenpresste, wechselte sie schnell das Thema und wandte sich an Britta.
„Ich kann verstehen, dass dir das Nein sagen schwer fällt. Das geht mir ähnlich. Deshalb sage ich fast nie sofort ja oder nein, sondern ‚Lass mich kurz darüber nachdenken, ich komm in fünf Minuten bei dir vorbei und sag dir dann Bescheid‘. Dann überlege ich mir, ob ich es machen will. Wenn nicht, dann nenn ich dem Fragenden einen Grund, dann kann er es leichter annehmen.“
„Das mach ich nie“, unterbrach Kim Hannas Ausführungen. Als Maschinenbau-Ingenieurin war sie fast nur von männlichen Kollegen umgeben. Entsprechend burschikos war ihr Auftreten, das durch ihre radikale Kurzhaarfrisur noch unterstrichen wurde. „Wenn mich jemand fragt und ich will ihm nicht helfen, sage ich ‚Nein‘. Fertig.“
„Das ist aber ganz schön brutal und außerdem egoistisch“, warf Marie-Luise ein.
„Für dich vielleicht, weil du so ein süßes Liebchen bist. Ich finde es von meinem Kollegen egoistisch, wenn er fragt, ob ich ihm helfen kann. Ich bin doch nicht sein Kindermädchen.“
„Manchmal bist du echt widerlich, Kim!"
Bevor Marie-Luise weiter in diese Kerbe schlagen konnte, schnitt Hanna ihr das Wort ab. „Mädels, beruhigt euch." Dann wandte sie sich demonstrativ an Britta."Ich habe noch einen Tipp: Bei mir funktioniert es immer gut, wenn ich sage 'Es tut mir Leid, dass du so viel Stress hast, aber ich kann dir heute trotzdem nicht helfen, weil…. ich auch viel Stress habe oder so.' Wenn es geht, mache ich ein Gegenangebot und zeige einen Weg auf, wie sie oder er das Problem ohne mich lösen kann.“
Auch Marie-Luise wollte nun einen konstruktiven Beitrag leisten. „Ich bedanke mich immer und sage, dass ich mich geehrt fühle, aber leider die Zeit nicht freischaufeln kann, um zu helfen.“
„Das ist so typisch, das bringst auch nur du, Marie-Luise. Du bist einfach eine kleine Schleimerin. Hilfst nicht, aber schmeichelst dich ein. Da ist doch ein klares, einfaches Nein viel ehrlicher.“
„Findest du vielleicht, Kim. Einfühlungsvermögen! Das Wort schon mal gehört?“
Während sich Kim und Marie-Luise über den Tisch hinweg kriegerisch anstarrten, grinsten sich Hanna und Britta an. Bei jedem Treffen gerieten Kim und Marie-Luise mindestens einmal aneinander und Britta oder Hanna lenkten das Gespräch dann wieder in friedlichere Bahnen. Das lief nun schon seit 20 Jahren so, seit sie sich in der fünften Klasse im Gymnasium kennengelernt hatten. Aber das ungleiche Quartett war sich über die Jahre treu geblieben.
Dieses Mal nahm Britta den Faden auf: „Also wenn Lukas das nächste Mal mit einer Bitte kommt, werde ich anders reagieren. Wie genau, werde ich mir überlegen. Ihr habt mir ja eine Menge Anregungen geliefert und mir damit wieder einmal sehr geholfen. Danke und schön dass ihr zu mir nicht 'Nein' sagt.“
Sie hob ihr Glas „Auf uns Mädels!“
Alle stießen an. „Und jetzt Themawechsel. Was macht die Liebe?“
Nein sagen - Übung
In der Geschichte wurden einige Arten, auf die man Nein sagen kann, vorgeschlagen.
- Um Bedenkzeit bitten
- Eine Begründung abgeben
- Anteilnahme zeigen
- Einen anderen Lösungsweg anbieten
- Ein bloßes Nein auf egoistische Art erwidern
Welche Art Nein zu sagen würde zu euch passen?
Wie sagt ihr am leichtesten Nein?
P.S. Es gibt natürlich noch weit mehr Wege, das Nein sagen zu verpacken....